Drei Rührreibschweißungen, die bei einem Lehrgang in München mit unterschiedlichen Parametern durchgeführt wurden
© Stephan Kallee at AluStir, CC BY-SA 4.0
Die Idee zum Projektinhalt des aiCAMstir-Projekts kam während eines Reibrührschweißkurses in München zum ersten Mal auf. Zuvor hatte Stephan Kallee an einem Verbundforschungsprojekt gearbeitet, bei dem es um die Herstellung von 'Tailor Welded Blanks' durch Rührreibschweißen ging. Es standen eine neue FSW-Spindel, eine neue Vorrichtung, zwei FSW-Experten und ein neuer Techniker zur Verfügung, der zwar Erfahrung in der Bedienung von Fräsmaschinen hatte, aber keine tiefgreifende Schulung zur Parameteroptimierung erhalten hatte. Aufgrund einer unvorhergesehenen Geschäftsreise arbeiteten sie an drei verschiedenen Orten: im Labor, im Büro und in einem Hotel. Sie konnten nur per Mobiltelefon kommunizieren und Fotos und Informationen über die Parametereinstellungen austauschen. Nach einigen Iterationen konnten optimierte Parameter gefunden werden.
Nahtober- und -unterseite von drei FSW-Nähten mit unterschiedlichen Parametern
© Stephan Kallee at AluStir, CC BY-SA 4.0
Einige Jahre später erwog er den Einsatz von neuronalen Netzwerken zur Optimierung von FSW-Parametern. Während einer Schulung in München wurde das Konzept der Nutzung künstlicher Intelligenz in der computergestützten Fertigung eingehender erörtert und ein Projekt mit vielversprechenden Ergebnissen durchgeführt.
Im aiCAMstir-Projekt geht es nun noch einen Schritt weiter: Es soll eine Cloud geschaffen werden, in der die FSW-Maschinenbediener Bilder und Informationen über Parametereinstellungen während Machbarkeitsstudien, Prototyping, Produktionsanlauf und Serienproduktion hochladen können und Rückmeldungen über die Schweißqualität und Empfehlungen zur Optimierung der Parameter erhalten. In der Endphase würde ein solches System in die FSW-Maschine integriert werden, und die Maschine würde die Parameter innerhalb der vom Bediener festgelegten Grenzen selbst optimieren.
Die Vision wurde am 19. April 2021 bei einer Online-Diskussion mit Studenten der Universität Lüttich zum ersten Mal öffentlich erläutert.
Die ersten Schweißungen wurden von einer Gruppe von Experten und Auszubildenden in München durchgeführt. Die Auszubildenden konnten die Parameter nach Diskussionen mit den Experten auswählen und fanden nach einigen Iterationen visuell akzeptable Parametereinstellungen. Die während des Kurses untersuchte Parametermatrix ist unten dargestellt:
Foto der FSW-Nahtoberseite
Drehzahl
Schweißge-schwindigkeit
Anpress-kraft
Berurteilung
5000 U/min
500 mm/min
Nicht do-kumentiert
Zu heiß
1700 U/min
500 mm/min
Nicht do-kumentiert
Visuell ak-zeptabel aber zu langsam
5000 U/min
1000 mm/min
7,6 kN
Zu heiß
3000 U/min
1000 mm/min
9,2 kN
Zu heiß
1300 U/min
1000 mm/min
9,8 kN
Visuell akzeptabel, bisher beste Schweißung
Das aiCAMstir-Konzept könnte auch für die Ultraschalluntersuchung mit dem Sonaflex-System nützlich sein. Das von der Nordinkraft AG entwickelte Sonaflex-System nutzt ein industriell erprobtes, automatisches Ultraschallprüfsystem, das die Phased Array Ultrasonic Testing (PAUT) und Time of Flight Diffraction (TOFD) kombiniert. Die aiCAMstir-Software könnte so modifiziert werden, dass Screenshots der ZfP-Daten auf die gleiche Weise ausgewertet werden können wie die Verarbeitung optischer Fotos für die automatische Qualitätskontrolle beim Rührreibschweißen. Bitte kontaktieren Sie stephan.kallee@alustir.com, um dies genauer zu besprechen.
Es wird vorgeschlagen, im aiCAMstir-Projekt ein Verfahren zur prozessbegleitenden Langstreckenultraschalluntersuchung oder digitalen Röntgenuntersuchung beim Rührreibschweißen oder anderer Schweißprozesse mit adaptiver Regelung der Prozessparameter zu entwickeln.
Insbesondere bei der Verlegung von Pipelines auf Baustellen oder auf hoher See im J-Lay- oder S-Lay-Verfahren soll die Qualität der Schweißung während des Schweißens untersucht werden. Wenn Schweißnahtfehler prozessbegleitend entdeckt werden, können die Parameter adaptiv geregelt werden, zum Beispiel kann die Schweißgeschwindigkeit reduziert werden oder die Anpresskraft erhöht werden, oder es kann in derselben Aufspannung eine Reparaturschweißung durchgeführt werden, z.B. bei Verschleiß oder Bruch eines Rührreibschweißwerkzeuges.
Beim Schweißen von Pipelines und Rohrleitungen ist für viele Anwendungsfälle eine zerstörungsfreie Prüfung erforderlich, um die Qualität der Schweißnaht zu bewerten und zu dokumentieren. Dabei werden bisher vor allem Röntgenuntersuchungen oder Phased-Array-Ultraschalluntersuchungen durchgeführt.
Phased-Array-Ultraschalluntersuchungen werden üblicherweise nach der Schweißung durchgeführt oder in-line zumindest in mehreren Zentimetern Abstand von dem sich drehenden Rührreibschweißwerkzeug. Zum Einkoppeln des Ultraschalls ist Wasser oder Gel erforderlich, weshalb der zu untersuchende Werkstoff sich zumindest soweit abgekühlt haben muss, dass das Einkoppelungsmedium im Bereich der Ultraschallsonde nicht verdampft. Deshalb läuft der Phased-Array-Ultraschallkopf bei der In-Line-Ultraschalluntersuchung in einem Abstand von mehreren Zentimetern oder eine Rohrlänge entfernt von dem Schweißwerkzeug, wodurch eine adaptive Regelung des Prozesses unmöglich wird.
Für die Röntgenuntersuchung von Pipelines wird in vielen Fällen ein radioaktiver Strahler oder eine Röntgenröhre an einer langen Stange in das Rohr eingeführt, das zuvor mit einem Röntgenstrahlungs-empfindlichen Film umwickelt wurde. Das ist während der Rührreibschweißung nicht möglich, da der Film nicht auf 360° um das Rohr gewickelt werden kann, weil das Schweißwerkzeug den Rohrumfang stellenweise unzugänglich macht. Daher wird die Röntgenuntersuchung oft um eine Rohrlänge versetzt zeitgleich zur nächsten Schweißung durchgeführt. Wenn Fehler gefunden werden, ist eine Reparaturschweißung schwierig und zeitaufwendig, da die Zugänglichkeit für den Schweißkopf an der ZfP-Station meistens durch die ZfP-Anlagen behindert wird.
Die Langstreckenultraschalluntersuchung ist ein zerstörungsfreies Prüfverfahren mit geführten Ultraschallwellen. Im Vergleich zu anderen ZfP-Verfahren können sich geführte Wellen über mehrere Meter mit einer relativ hohen Empfindlichkeit für Fehler in der Struktur ausbreiten. Der allgemeine Empfindlichkeitsbereich beträgt je nach Rauschabstand bis zu 3% der Querschnittsfläche. Eine weitere Optimierung des Prüfverfahrens mit geführten Ultraschallwellen ist möglich. Dies kann durch Optimieren des Wandler-Array-Designs erfolgen.
Insbesondere in Abhängigkeit von den Resonanzfrequenzen des zu untersuchenden Systems kann es vorteilhaft sein, Schall- statt Ultraschallwellen für die prozessbegleitende zerstörungsfreie Prüfung einzusetzen.
Langstreckenultraschalluntersuchung mit multiplen Sendern und Empfängern
In einer vorteilhaften Verfahrensvariante werden mehrere Sender und Empfänger eingesetzt. Diese Transducer (Wandler) werden links und rechts (bzw. oberhalb und unterhalb) des Stoßes bzw. der Schweißnaht angebracht.
Insbesondere beim Rührreibschweißen ist es außerdem vorteilhaft, ein Set von Transducern in der sich drehenden Werkzeugspindel bzw. in der Nähe der Spindellager einzusetzen. Der damit erzeugte Schall oder Ultraschall kann dann, möglicherweise zeitversetzt, an verschiedenen Stellen empfangen und verarbeitet werden.
Bei Lichtbogen- oder Strahlschweißprozessen ist es vorteilhaft den Schweißstrom bzw. die Laser- oder Elektronenstrahlenergie im Schall oder Ultraschallbereich zu modulieren, um in der Schmelze Schall- bzw. Ultraschallwellen zu erzeugen, die von verschiedenen Transducern empfangen oder für die Weiterleitung moduliert werden können.
Das digitale Röntgen, d.h. die filmfreie Radiographie, ist eine fortschrittliche Technologie, die auf digitalen Detektorsystemen basiert, bei denen das Röntgenbild direkt auf einem Computerbildschirm angezeigt wird, ohne dass Chemikalien entwickelt oder Zwischenscans durchgeführt werden müssen.
Die einfallende Röntgenstrahlung wird in eine äquivalente elektrische Ladung und anschließend durch einen Detektorsensor in ein digitales Bild umgewandelt. Im Vergleich zu anderen Bildverarbeitungsgeräten bietet der Bildschirmdetektor qualitativ hochwertige digitale Bilder mit einem besseren Signal-Rausch-Verhältnis und einem verbesserten Dynamikbereich, was wiederum eine hohe Empfindlichkeit für radiographische Anwendungen bietet.
Flachdetektoren arbeiten mit zwei verschiedenen Ansätzen, nämlich der indirekten Umwandlung und der direkten Umwandlung. Flachdetektoren mit indirekter Umwandlung verwenden eine Fotodiodenmatrix aus amorphem Silizium. Anstelle eines konventionellen Flachbildschirmdetektors kann bei dem hier beschriebenen System vorteilhaft ein konkaver Bildschirmdetektor verwendet werden, dessen Innendurchmesser etwas größer als der Außendurchmesser des Rohres ist.
Detektoren mit direkter Umwandlung verwenden einen Fotoleiter wie amorphes Selen (a-Se) oder Cadmiumtellurid (Cd-Te) auf einer multimikroskopischen Elektrodenplatte und bieten die höchste Schärfe und Auflösung. Die Informationen über beide Arten von Detektoren werden von Dünnschichttransistoren ausgelesen. Im direkten Umwandlungsprozess, wenn Photonen wie amorphes Selen auf den Fotoleiter auftreffen, werden sie direkt in elektronische Signale umgewandelt, die verstärkt und digitalisiert. Da es keinen Szintillator gibt, fehlt hier die seitliche Verteilung der Photonen, was für ein schärferes Bild sorgt. Dies unterscheidet sie von der indirekten Konstruktion.
Durch eine automatische Bildauswertung können Signale für eine adaptive Regelung der Schweißprozessparameter bereitgestellt werden.
Anlagen zur Mikrofokus-Röntgenuntersuchung unterscheiden sich von der konventionellen Röntgenuntersuchung durch die genaue Fokussierung des Röntgenstrahls, typischerweise im Millimeterbereich. Der Vorteil ist, dass sich damit Radiographien mit extrem hoher Auflösung herstellen lassen. Damit können Bilder mit großer Vergrößerung erzeugt werden, wobei selbst kleinste Fehler noch gut erkannt werden können.
Anstelle der Mikrofokus-Röntgenuntersuchung kann auch die Makrofokus-Röntgenuntersuchung vorteilhaft sein, z.B. mit einem 450kV Broad Focus System.
Adaptive Regelung der Schweißparameter. Die durch die bei der in-line durchgeführten, zerstörungsfreien Prüfung gewonnenen Daten werden automatisch ausgewertet und zur adaptiven Regelung der Schweißparameter verwendet.
Das System soll so konstruiert werden, dass es sich nicht nur im Labor sondern auch unter Baustellenbedingungen einsetzen lässt. In Abhängigkeit von den vor Ort gegebenen Anforderungen liegt die Rohrleitung entweder horizontal, vertikal oder diagonal.
Typische Anwendungsfälle sind unter Laborbedingungen, in Fabrikhallen bei der Fertigung von rohrförmigen Produkten, im Graben bei der Landverlegung von Pipelines oder Rohrleitungen, oder seitlich oder oberhalb des Grabens, gegebenenfalls auf transportablen Verlege-Plattformen. Besondere Vorteile bietet das hier beschriebene Verfahren auf Schiffen oder Plattformen, die zur Herstellung von Unterwasser-Pipelines, Riser-Rohren oder Flowlines insbesondere im J-Lay oder S-Lay-Verfahren. Bei der Herstellung von langen Pipelines, die vor der Verlegung auf eine Spule aufgewickelt werden ist das Verfahren anwendbar, insbesondere für Leitungen für den Öl-, Gas-, Wasser-, Abwasser oder Datentransport (z.B. für an Land oder unter Wasser verlegte Rohre, Leitungen und Kabel).
Neben der Anwendung im Pipelinebau der Öl- und Gasindustrie eignet sich das hier vorgestellte System hervorragend zum Herstellen und Verlegen von Rohrleitungen zum Energietransport (GIS und GIL), für Trink- und Abwasserrohrleitungen, für den Raketen-, Satelliten und Flugzeugbau sowie zum Herstellen und Verschließen von Behältern zum Transport oder der Lagerung von nuklearen Abfällen.
Das Verfahren lässt sich auch im Anlagenbau z.B. in Raffinerien, Gaszerlegungsanlagen und Chemieanlagenbau sowie im Kamin- und Schornsteinbau einsetzen. Es kann auch für tragende tubulare Strukturen in Bohrinseln, Brücken oder Häusern verwendet werden. Außerdem ist es für das Schweißen von Eisenbahnschienen oder Drahtseilen von Hängebrücken oder Seilbahnen geeignet.
Große Vorteile bietet das Verfahren beim Auskleiden von Brunnen oder Bohrlöchern, insbesondere solchen in der Öl-, Gas und Wasserförderung, der CO2-Speicherung und der Geothermie sowie von Tunneln, Horizontalbohrungen und Bergwerksstollen.
Das hier zur Weiterentwicklung vorgeschlagene Verfahren zur prozessbegleitenden Langstreckenultraschalluntersuchung oder filmfreien Röntgenuntersuchungen beim Rührreibschweißen oder anderer Schweißprozessen bietet folgende Alleinstellungsmerkmale und Verfahrensvorteile:
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