Das Kaltverschweißen (englisch: Cold Welding) ist wie das Fressen ein meist ungewollter Prozess, der im Vakuum oder im Weltall Metalle oder Kunststoffe miteinander verbindet. Wenn im Weltraum zwei Metalle miteinander in Berührung kommen, können sie miteinander verschweißen, ohne dass Hitze oder das Schmelzen eines der beiden Teile erforderlich sind. Anders als beim Kaltpressschweißen und Kaltfließpressschweißen handelt es sich dabei meist um einen unbeabsichtigten Vorgang.
Das Problem tritt allerdings nur selten auf, da bereits vor dem Start eine Oxidschicht auf den Metallen bildet. Nur wenn diese durch Verschleiß aufgrund von Vibrationen oder Reibung durchbrochen wird, kommt es zum Kaltverschweißen. Die Belastung wird dabei entweder statisch, zyklisch oder schlagartig aufgebracht.
Eng aufeinander liegende oder aufeinander gepresste Metall- oder Kunststoffteile können durch das Fehlen der auf der Erde vorhandenen intermittierenden Gasschicht eine Verbindung eingehen. Insbesondere bei beweglichen Teilen wie Scharnieren oder lösbaren Dichtungen ist das nachteilhaft.
Bei der Konstruktion eines Raumfahrzeuges muss berücksichtigt werden, dass dieses außerhalb der Atmosphäre eingesetzt werden soll. In einer Höhe von 500 km beträgt der Umgebungsdruck noch 10-7 Pa aber in der geostationären Umlaufbahn in einer Höhe von 36.000 km nur noch 10-15 Pa. Konventionelle Schmierstoffe sind für die Verwendung im Weltraum nicht geeignet, da sie einen hohen spezifischen Dampfdruck haben und daher ausgasen. Daher werden meist Beschichtungen aus Graphit, Molybdänsulfit (MoS2) oder Teflon eingesetzt.[1]
Europäische Wissenschaftler verwenden auch die Begriffe "Adhäsion" (adhesion), "Kleben" (sticking), "Haften" (sticktion),[2] "Fressen" (fretting) und "Aufreiben" (galling).
Bei der Gemini-IV-Mission unternahm Ed White am 3. Juni 1965 als erster amerikanischer Astronaut einen Weltraumspaziergang. Nachdem er den Aufenthalt außerhalb der Kapsel gründlich genossen hatte, kehrte er in die Kapsel zurück, aber die Luke ließ sich nicht richtig schließen. Für mehr als eine Stunde konnte die Besatzung keinen Funkkontakt mit der Erde aufnehmen Es war für die Astronauten sehr anstrengend, die Luke zu schließen.[3]
Bei der Nachuntersuchung fragten sich die Ingenieur der NASA ob die Luke eine "Kaltverschweißung" durchlaufen hatte. Inzwischen wird aber angenommen, dass sich nicht um eine Kaltverschweißung sondern um ein durch zu enge Toleranzen bzw. durch Vereisung verursachtes Verklemmen gehandelt hat.
Die NASA führte 1979 mit aufwendig konstruiertem Equipment ein wissenschaftliches Untersuchungsprogramm zum ungewollten Kaltverschweißen durch. Die dafür benötigte Vakuumkammer und Vakuum-Pumpen standen im Gebäude Nr. 16 neben dem Tank Nr. 4 im Prop House des John H. Glenn Research Center in Lewis Field.
Das Glenn Research Center (GRC) ist ein Forschungszentrum der NASA mit Sitz in Brook Park bei Cleveland, Ohio. Es liegt zwischen dem Cleveland Hopkins International Airport und der Rocky River Reservation. Es ist nach amerikanischen Kampfpilot, Astronaut und Politiker John Glenn benannt.[4]
Equipment für das Kaltverschweiß-Programm der NASA im Gebäude Nr. 16 neben dem Tank Nr. 4 im Prop House des John H. Glenn Research Center in Lewis Field, 14 Aug 1979
© NASA, National Archives Identifier: 17472752 und 17472756
Equipment für das Kaltverschweiß-Programm der NASA im Gebäude Nr. 16 neben dem Tank Nr. 4 im Prop House des John H. Glenn Research Center in Lewis Field, 14 Aug 1979
© NASA, National Archives Identifier: 17472754, 17472755 und 17472753
Das Raumfahrzeug der Galileo-Mission wurde am 18. Oktober 1989 gestartet. Im April 1991 hatte das Raumschiff auf seiner Mission den Punkt erreicht, an dem die wie ein Regenschirm konstruierte 'High Gain Antenna' geöffnet werden sollte. Diese Parabolantenne war zuvor nicht ausgefahren worden, um sie vor der Hitze der Sonne zu schützen. Allerdings ließ sie sich nicht aufklappen und erreichte daher nie die vollständig ausgefahrene Position.
Das Trockenschmiermittel auf den Stiften der Gelenke war wahrscheinlich bereits beim Start an den Kontaktpunkten zwischen den Stiften und den V-Nut-Buchsen vollständig abgenutzt. Nach dem Start war das Raumfahrzeug den Vibrationen von der oberen Stufe ausgesetzt, die eine stärkere Relativbewegung der Stifte und Buchsen verursachte. Da dies aufgrund der Zerstörung der Kontaktfläche an den V-Nut-Buchsen in einem Vakuum mit blanken Titanstiften geschah, kam es zum Fressen und Kaltverschweißen der Stifte und Buchsen, wodurch zum Entfalten der Rippen mehr Kraft erforderte, als durch das mechanische Antriebssystem erzeugt werden konnte.[5,6]
Es wurde mehrere tausend Mal vergeblich versucht, die Antenne zu entfalten, aber vergebens. Die Sonde wurde daraufhin so umprogrammiert, dass die empfangenen Daten sowohl auf dem Zentralrechner als auch auf einem Bandlaufwerk zwischengespeichert und nach einer Datenkompression portionsweise von der viel schwächeren Rundantenne zur Erde gesendet wurden.
In einer Nachuntersuchung wurde der Versagensmechanismus untersucht und Strategien entwickelt, die für die Inbetriebnahme der Antenne eingesetzt werden sollten. Die Rippen in der Mitte der
Rückhaltevorrichtung wurden durch Reibung, Kaltverschweißung oder Adhäsion zurückgehalten. Wenn Reibung für das Verklemmen der Stifte verantwortlich gewesen wäre, wäre ein Reibungskoeffizient von
mehr als eins erforderlich gewesen.
Im John H. Glenn Research Center in Lewis Field der Nasa wurde eine Reihe von Tests über die Reibungseigenschaften von trockenem und blankem Titan auf Inconel 718 durchgeführt:
Die Ergebnisse dieser Tests zeigten, dass, wenn die beiden Oberflächen unter Last und in Luft relativ zueinander verschoben werden und dann unter Last im Vakuum relativ zueinander verschoben
werden, die Gleitreibung zwischen den Oberflächen fast um das Zehnfache ansteigt. Wenn ein trockengeschmierter und anodisierter Stift in einer Atmosphäre betrieben wurde, wurde die
Trockenschmierrohroberfläche schnell zerstört und infolgedessen das Titansubstrat freigelegt.
Die Tests zeigten auch, dass der Reibungskoeffizient bei Vorhandensein einer Atmosphäre, die weiterhin mit dem blanken Titan reagiert, während es durch Gleitkontakt abgenutzt wird, nie über 0,35
lag. Sobald jedoch das Trockenschmiermittel eines Stiftes durch den Betrieb an Luft beschädigt und dann im Vakuum betrieben wurde, begannen die Oberflächen zu fressen und Reibungskoeffizienten
von über 1,0 zu erzeugen.
Beim Landtransport war die Antenne während vier Fahrten war die Antenne einer ausreichend starken Vibrationsumgebung ausgesetzt, um eine Relativbewegung zwischen den Stiften und Buchsen zu
verursachen. Diese Bewegung wurde durch die freitragende Befestigung der Antenne in ihrem Versandbehälter verstärkt.
Die Stifte, die sich bei horizontaler Ausrichtung der Antenne oben und unten befanden, sahen die größte relative Bewegung in Bezug auf ihre Lagerungen. Da diese Relativbewegung in der Atmosphäre
geschah, wurden die Trockenschmierbeschichtungen auf den Stiften abgenutzt. Während der Vibrationsprüfung der Antenne kam es zu einer weiteren Beschädigung der Trockenschmierung.[5,6]
Eine Publikation der ESA sollte 2009 der Raumfahrtindustrie das neueste Verständnis des Phänomens "Kaltverschweißen" in Bezug auf die Mechanismen von Raumfahrzeugen mit trennbaren Kontaktflächen vermitteln. Sie stellt einige grundlegende Theorien vor und beschreibt ein Prüfverfahren und die erforderliche Ausrüstung.
Kaltverschweißung zwischen zwei Kontaktflächen kann unter Stoß- oder Reibungsbedingungen auftreten. Diese Oberflächen können blanke Metalle oder anorganisch oder organisch beschichtete Metalle und ihre Legierungen sein. Es werden Standardverfahren zur Quantifizierung der Neigung von Materialoberflächenpaaren zum Kaltverschweißen miteinander vorgeschlagen.
Von besonderem Interesse sind die Kontaktdaten verschiedener Materialien, die in numerischer Form und als Tabellen dargestellt werden, die die Kontakte zwischen Materialien zusammenfassen, die für den Einsatz unter Vakuum entweder empfohlen oder als ungeeignet angesehen werden können. Die Daten wurden in einer Datenbank zusammengestellt, auf die online zugegriffen werden kann.[2]
Kaltverschweißen lässt sich wie folgt vermeiden:[7]